Fußballspiel

Fußballkapitän Kai ist sich sicher. Schmökern ist nichts für ganze Kerle. Die spielen nämlich in Trikots und kurzen Hosen Fußball. Und zwar bei jedem Wetter. Doch bei heftigem Schneetreiben müssen selbst die hartgesottensten Fußballkerle das Feld räumen. Und zum Aufwärmen in die nahe Bibliothek flüchten. Da gibt es nichts als Bücher mit furchtbar langweiligen Geschichten. Oder etwa doch nicht?

 

 


Die ganze Geschichte:

Es stürmt und schneit. Nele und Alina gehen warm angezogen in die Bücherei. Zum Schmökern.

Doch Kai, der Fußballkapitän, und sein Team nicht.

„Lesen ist bloß was für Mädchen. Kerle wie wir spielen Fußball! Bei jedem Wetter!“, ruft Kai stolz.

Der eiskalte Wind zerrt an seinen kurzen Hosen. Und an seinem Trikot. Ein Schneeanzug wäre jetzt wärmer. Oder wenigstens ein Anorak. Oder zuallermindest ein Trainingsanzug. Aber das kommt alles nicht in Frage!

„Wir spielen wie die Profis. In Trikots und kurzen Hosen“, brüllt Kai gegen den Schneesturm an.“

Die übrigen Kicker nicken tapfer. „K-klar d-doch“, bibbern sie.

Die Mädchen kichern. „Na dann viel Spaß, Ihr Profis“, rufen sie. Und verschwinden in der Bücherei – gleich neben dem Fußballplatz.

 Mittelfeldspieler Malte wirft einen skeptischen Blick auf den verschneiten Platz. „Ganz schön glatt heute“, findet er.

Aber Kai will davon nichts wissen. „Du kannst ja auch in die Bücherei gehen und was lesen. Wie eine Memme“, grölt er. Und verdreht die Augen.

Da wird Malte knallrot im Gesicht. Obwohl ihm eigentlich gar nicht warm ist. Sondern eiskalt. Eifrig schüttelt er den Kopf. Natürlich will er keine lesende Memme sein.

Das Training beginnt. „Wir üben das Elfmeterschießen“, bestimmt Kai.

Stürmer Stefan ist als Erster an der Reihe. Er nimmt Anlauf und ... rutscht aus. „Iiih, ist das kalt“, entfährt es ihm. Hastig rappelt er sich wieder auf. Seine Hände sind wie Eisklötze. Seine Knie tun weh. „Das macht überhaupt keinen Spaß heute“, motzt Stefan.

Als Nächster versucht Mittelfeldspieler Malte einen Elfer zu schießen. Er nimmt nur ganz zaghaft Anlauf. Schließlich will er nicht auch im Schnee landen. Dann holt zum Schuss aus und zielt in Richtung Tor.

„Auuuaa! Ich hab den Ball ins Gesicht bekommen“, jault Torhüter Tobi auf. Und reibt sich die Backe. „Die Sicht ist einfach zu schlecht. Weil es so viel schneit“, motzt er.

„ Ganz genau“, nickt der zweite Stürmer Sven. Und wischt den Schnee aus seinen Haaren und von seiner Schultern. „Außerdem werden wir ganz nass.“

Innenverteidiger Ian hat blaue Lippen. „V-vielleicht sollten wir d-doch in die Bücherei gehen. Es ist einfach zu kalt und nass hier d-draußen“, bibbert er. Seine Zähne schlagen aufeinander.

„Dafür bin ich auch!“, schnieft Außenverteidiger Arne. Und zieht die Nase hoch. „Sonst sind wir morgen alle krank.“

Diesmal rollt Kapitän Kai nicht mehr mit den Augen. Auch er schlottert nämlich vor Kälte. Seine Zehen brennen. Und seine Hände sind schon ganz rot. „Na gut, ausnahmsweise“, sagt er deshalb.

Das lässt sich die Fußballmannschaft nicht zweimal sagen. Wie der Blitz stürmen alle hinüber zur Bücherei. Drinnen ist es mollig warm.

„Hier ist es aber schön“, seufzen die durchgefrorenen Kicker.

Als der schlimmste Schüttelfrost vorbei ist, sehen sie sich um. Es gibt viele Regale mit Büchern. Und in einer Ecke des Raumes stehen Tische und Stühle. Darüber hängt ein Schild. ´Schmökerecke`, steht dort geschrieben.

Nele und Alina sitzen an einem der Tische. Mit einer ganzen Menge Büchern vor sich. Als die beiden Mädchen die Fußballer entdecken, beginnen sie zu kichern.„Schmökern ist wohl doch was für Kerle wie Euch, was?“, sticheln sie.

Aber Kai winkt ab. „Nee, nee, wir kommen nicht zum Lesen. Sondern nur zum Aufwärmen. Bis der Schneesturm vorbei ist“, stellt er richtig. „Dann trainieren wir weiter“, behauptet er noch.

Plötzlich schwenkt Malte ein Buch durch die Luft. „Seht mal, was ich in dem Regal dort hinten entdeckt habe“, ruft er aufgeregt. „Da stehen Geschichten über Fußball drin“. Schon hat Malte das Buch aufgeschlagen.

Das Team schart sich neugierig um ihn. „Zeig mal her .... lies mal vor“, drängen sie.

Nur Kapitän Kai beteiligt sich nicht. Er ist richtig wütend. Was ist bloß los mit seiner Mannschaft? Auf einmal sind alle ganz wild auf Geschichten. „Das ist überhaupt nicht cool“, findet Kai. „Der Schneesturm lässt nach“, ruft er deshalb. „Wir können wieder raus aufs Feld.“ Obwohl das gelogen ist. Weil es draußen immer noch heftig schneit.

Doch das merken Kais Fußballer nicht. Sie werfen nämlich keinen Blick raus. Weil sie nur noch Augen für die dummen Bücher haben.

Tobi entdeckt ein ganzes Regal mit Fußballbüchern. „Wow“, staunt er. Und pfeift anerkennend durch seine Zahnlücke. „Seht euch das an“. Tobi lotst die Mannschaft vor das richtige Regal.

Eifrig schleppen die Fußballer die Bücher hinüber zur Schmökerecke. Und beginnen darin zu lesen.

Kai traut seinen Augen kaum. Das darf nicht wahr sein! Seine Fußballkerle hocken Seite an Seite mit den Mädchen in der Schmökerecke! Und lesen! „Das ist richtig peinlich“, findet Kai. „Seid ihr Fußballer oder Bücherwürmer?“, schnauzt er deshalb. Und hofft, dass das Team endlich zur Besinnung kommt. Aber vergeblich. Das Team rührt sich nicht von der Stelle. „Wie ihr wollt, Ihr Memmen“, ruft Kai schmollend. „Dann trainiere ich eben alleine weiter.“

Ein Blick aus dem Fenster sagt ihm, dass die Idee nicht so gut ist. Ohne Schneeschieber ist nämlich nichts zu machen. Auf dem verschneiten Platz. Außerdem bleibt ein Kapitän bei seiner Mannschaft. Selbst wenn die peinlich ist. Deshalb bleibt Kai doch in der Bücherei. Nach einer Weile beginnt er sich zu langweilen.

„Hier gibt es nichts als Bücher“, seufzt Kai. Sein Blick wandert über die Regale. Und bleibt an dem Fußballregal hängen. Seine Kicker haben es fast vollständig geplündert. Nur ein einsames Buch ist noch da. Es trägt den Titel ´Der Fußballkapitän`.

„Gar nicht so übel“, denkt Kai. Zögernd nimmt er das Buch in die Hand. „Ob ich vielleicht mal einen ganz kurzen Blick hineinwerfen sollte? Natürlich nur, um die Zeit totzuschlagen. Aber was werden die anderen dazu sagen?“

Kai äugt hinüber zur Schmökerecke. Alle sind ins Lesen vertieft. Da wagt es Kai, das Buch aufzuschlagen.

„Das ist ja richtig spannend geschrieben“, staunt er. Anfangs liest Kai im Stehen. Mit der Zeit werden seine Beine müde. Wieder schielt er hinüber zur Schmökerecke. Da gibt es noch einen freien Stuhl. Inmitten seiner Mannschaft.

„Die werden mich aufziehen, wenn sie mich lesen sehen“, fürchtet Kai. Doch dann gibt er sich einen Ruck. „Was soll`s“, denkt er. Und geht hinüber zu seinem schmökernden Team.

Die Kicker sehen nur flüchtig auf. Einige finden Zeit für ein kurzes Grinsen. Dann sind sie wieder in ihre Geschichten abgetaucht.

Auch Kai ist bald in sein Buch vertieft. Und merkt nicht, wie die Zeit beim Lesen vergeht.

Plötzlich steht die Bibliothekarin in der Schmökerecke. ´Frau Müller` heißt sie.

„Wir schließen gleich“, sagt sie zu den Kindern.

„Waaas? Sooo spät schon?“, staunen die Kicker. Überrascht sehen sie sich um. Nele und Alina sind bereits gegangen.

Frau Müller nickt. „Ihr könnt die Bücher auch ausleihen. Und zu Hause lesen. In aller Ruhe“, bietet sie an.

„Wirklich?“, staunen die Fußballer.

„Na klar“, lächelt Frau Müller. „Jeder bekommt einen Ausweis. Damit ich weiß, welche Bücher ihr mitnehmt. Und nächste Woche bringt Ihr sie wieder zurück, einverstanden?“

Das Team nickt. „Das ist ganz große Klasse!“

„So können wir die Geschichten zu Ende lesen“, freut sich auch Kapitän Kai.

„Dann kommt mal alle mit nach vorne“, sagt Frau Müller. „Zu meinem Pult.“

Alle Kicker stürmen zu Frau Müllers Schreibtisch. Bald sind die Ausweise fertig. Und jeder Fußballer trägt sein Buch unter dem Arm.

„Tschüs! Bis nächste Woche“, sagt Frau Müller zum Abschied.

Kapitän Kai wendet sich an sein Team. „Also, Männer“, sagt er. „Ihr habt´s gehört. Nächste Woche treffen wir uns wieder hier. In der Schmökerecke. Zum Lesen. Aber nicht in Trikots und kurzen Hosen. Sondern in Winterklamotten.“

„Alles klar“, rufen die Kicker. Dann atmen sie tief durch. Und spurten so schnell wie möglich durch die Kälte nach Hause.