Katze im Rohr mini

Udo hat es schwer. Erst wird er von seiner Schwester Lea aus dem Haus geekelt. Dann eckt er auf dem Fußballplatz an. Als die Mannschaft ihm vom Platz jagt, ist er eigentlich ganz froh. Endlich ist er alle Plagegeister los, die ihn nerven. Mutterseelenallein geht Udo auf Streifzug durch unbekanntes Gelände. Da hört er ein klägliches Miauen. Ob das Kater Beppo sein kann, der vor Tagen verschwand?

 


Die ganze Geschichte:

 

   Udo seufzt. Eins ist klar: Seine große Schwester Lea hat ‘ne Meise. Das gilt insbesondere, seit Kater Beppo verschwunden ist. Vor einigen Tagen kehrte Beppo nicht mehr heim - von seinem Streifzug durch die Nachbarschaft. Seitdem ist Lea untröstlich und anhänglich wie eine Klette. Das ist unerträglich! „Bloß raus hier“, beschließt Udo. Auf Zehenspitzen schleicht er an Leas Zimmer vorbei – Richtung Haustür. „Hoffentlich merkt Lea nichts“, denkt Udo.

   Aber Fehlanzeige! Lea hat Ohren wie ein Luchs. „Was hast du vor?“, möchte sie wissen.

   Udo rollt mit den Augen. „Das kann dir doch egal sein“, will er sagen. Doch dann tut ihm seine Schwester leid. „Also gut, du Nervensäge“, seufzt er. „Ich gehe zum Fußballplatz, zufrieden?“

   Doch Lea ist keineswegs zufrieden. „Wie lange bleibst du?“ bohrt sie nach.

   „Weiß nicht! Mal sehen … vielleicht ‘ne Stunde oder zwei“, brummt Udo ausweichend. Seine Laune wird immer schlechter. Er ist doch kein Baby mehr, das sich von der großen Schwester aushorchen lässt.

   Und es kommt noch schlimmer: Ehe Udo es verhindern kann, stopft Lea ein Handy in seine Jackentasche. „Zur Sicherheit“, sagt sie. „Damit ich dich jederzeit erreichen kann“.

   „Das geht eindeutig zu weit“, findet Udo. Wer will schon permanent von der großen Schwester kontrolliert werden? Udo jedenfalls nicht. Wütend packt er das Handy wieder aus und gibt es Lea zurück. „Lass mich in Ruhe! Steck die Nase in deine eigenen Angelegenheiten!“, ruft er. Ohne eine Antwort abzuwarten, verlässt er das Haus. „Rrrumms“, macht es, als die Tür hinter ihm ins Schloss fliegt.

   Als Udo am Fußballplatz ankommt, ist er immer noch sauer. Heftig tritt er auf den Ball ein. Im Alleingang stürmt er Richtung Tor und rempelt alle Mitspieler nieder.

   „Pass doch auf“, schnauzt Berti, der Mannschaftskapitän, und reibt sich das Schulter. „Was ist los mit dir? Wir sind doch ein Team.“

   Aber Udo hat Lust, Dampf abzulassen. „Zum Teufel mit dem Team!“, brummt er und foult weiter.

   Ein Spieler nach dem anderen beschwert sich über Udo.

   „Geh nach Hause“, sagt Berti deshalb. Die übrigen Spieler nicken dazu. Sie haben die Nase voll von Udos schlechtem Benehmen.

   Udo zuckt mit den Achseln und räumt das Feld. „Wer braucht euch schon, ihr Nieten?“, ruft er über die Schulter zurück und schneidet eine Grimasse. „Alleine komme ich viel besser klar!“

   Udo hat alles andere als Lust nach Hause zu gehen. Deshalb macht er einen Umweg – über einen verwilderten Trampelpfad, der zu einer abgelegenen Bauruine führt. So gut es geht, biegt Udo die Brombeerranken zur Seite. Hin und wieder bleibt seine Kleidung im Gestrüpp hängen. Doch das macht ihm nichts aus.

   „Es ist super, alleine durchs Dickicht zu steifen“, findet Udo. „Es ist niemand da, der mich ausfragt oder zurechtweist - weder die ängstliche Lea noch der mürrische Berti. Was kann es besseres geben?“

   Auf einmal stutzt Udo. „Nanu“, denkt er. „Ist das nicht ein Mauzen? Das klingt wie Kater Beppo.“

   „Das muss ich mir näher ansehen“, beschließt Udo. Er zieht seine Jacke aus und klettert über den verrosteten Bauzaun. Mutig folgt er dem Miauen bis zur Ruine. Udo zögert kurz. Dann klettert er durch ein zerbrochenes Fenster hinein ins Innere der Ruine.

   Drinnen ist es düster und feucht. Überall liegt Schutt. Löcher klaffen im Boden. Vorsichtig tastet sich Udo vorwärts. Das Miauen kommt von unten – aus dem Keller der Ruine. Die verfallene Treppe sieht wenig einladend aus.

   Wieder zögert Udo. Dann nimmt er seinen Mut zusammen. Er überspringt die fehlenden Treppenstufen und landet unverletzt in der Tiefe.

   Geschafft! So gut es geht, versucht Udo sich im Halbdunkel zu orientieren.

   Tatsächlich: Da ist Kater Beppo! Er ist in ein Rohr gerutscht. Nur Beppos Kopf schaut heraus. Udo befreit den hilflosen Kater und drückt ihn an sich. „Lea wird Augen machen“, denkt er stolz. „Jetzt nichts wie nach Hause.“

   Doch da gibt es ein Problem: Udo kommt die marode Treppe nicht wieder hinauf. Es fehlen einfach zu viele Stufen. Udo sieht sich im Keller um. Eine Leiter kann er nicht finden - auch keine Kiste oder sonst eine Kletterhilfe. Es führt kein Weg daran vorbei: Udo sitzt in der Falle - genau wie Kater Beppo! Vor Schreck bekommt Udo weiche Knie.

 „Ein Anruf fällt aus“, weiß Udo. Voller Reue denkt er an das verschmähte Handy, welches er Lea zurückgab. „Oh weia!“, schluckt er.

   Kater Beppo fängt wieder an zu mauzen.

   Udo streicht über sein Fell. „Keine Sorge, Hilfe kommt gleich - auch ohne Notruf“, verspricht er mit wackeliger Stimme und hofft auf seine Schwester Lea.

   Udo legt er seine Stirn in Falten und überlegt, wie lange Lea brauchen wird, um ihn ohne Notruf zu finden. Udo versucht sich daran zu erinnern, was er seiner Schwester Lea zum Abschied sagte. „Fußballplatz … ein oder zwei Stunden“, fällt ihm ein. „Die Zeit ist um. Sicher vermisst Lea mich bereits und sucht nach mir“, vermutet Udo. „Bald wird sie da sein.“

   Kurzzeitig flackert Hoffnung auf. Doch dann schüttelt Udo den Kopf. Vor Schreck hört er auf, den Kater zu streicheln.

   „Lea wird nicht kommen“, wird Udo klar. „Weil sie nichts von meinem Umweg über den Trampelpfad weiß. Und weil sie erst recht nichts von meinem Abenteuer in der Ruine ahnt. Und weil ich so fies zu ihr war. „Steck die Nase in deine eigenen Angelegenheiten“, habe ich ihr geraten und die Haustür zugeknallt. Die Erinnerung trifft Udo wie ein Schlag. Er schnappt nach Luft wie ein gestrandeter Fisch!

   Kater Beppo mauzt immer lauter.

   Das klägliche Geräusch steigert Udos Angst. Die Panik überrollt ihn wie eine Monsterwelle. „Hilfe! Hilfeeeee!“, brüllt er. Obwohl er weiß, dass das quatsch ist, weil ihn niemand hören kann. Die Ruine ist einfach zu weit weg von der Straße. Doch um Hilfe zu rufen, fühlt sich besser an als gar nichts zu tun. Deshalb schreit Udo aus Leibeskräften gegen seine Panik an. Er brüllt weiter … und immer weiter … eine halbe Ewigkeit lang … bis seine Stimme vor Anstrengung versagt - und Udo nur noch ein Krächzen zustande bringt.

   Udo zittert vor Erschöpfung und Kälte. Er trägt lediglich ein dünnes Fußballtrikot und Shorts. „Was war ich für ein verdammter Idiot!“, denkt Udo verzweifelt. „Wie konnte ich mich in so eine aussichtslose Lage bringen?“

   Doch für diese Erkenntnis ist es jetzt zu spät. Udo hat nichts dabei, was helfen könnte: weder ein Handy noch etwas zu trinken oder zu essen. Und seine warme Jacke hängt draußen am Bauzaun.

   „Das wird kein gutes Ende nehmen“, erkennt Udo. Seine Beine fühlen sich an, als ob sie aus Watte seien. Angst fühlt Udo nicht mehr. Stattdessen macht sich Hoffnungslosigkeit breit in seinem Herzen. „Niemand wird Kater Beppo und mich in diesem düsteren Keller finden. NIEMAND! Weder Lea noch sonst wer!“, denkt Udo bitter. „Wir werden erfrieren und verdursten.“

   Erschöpft sackt Udo neben Kater Beppo zusammen. Der Boden ist kalt und feucht. Udo zittert vor Kälte. Doch das ist jetzt egal. Es gibt sowieso keine Hoffnung mehr. Udo will sich nur noch ausruhen.

   „Es tut mir leid“, murmelt Udo Kater Beppo ins Ohr. „Ich hab‘s vermasselt.“

   Kater Beppo miaut dazu - klagend und tröstlich zugleich. Es klingt wie ein letztes Schlaflied.

   „Fühlt sich Erfrieren so an?“, denkt Udo.

   Der Kater rückt näher und stupst Udo mit der Nase an. „Udo, Uuudooooo!“, miaut er. Dabei hört er sich ein kleines bisschen an wie Lea.

   „Wahrscheinlich Einbildung“, glaubt Udo im Halbschlaf. „Katzen können nicht sprechen. Erst recht nicht mit Leas Stimme.“

   Da hört er es wieder: „Uuudooooo!“, mauzt der Kater. Diesmal mit einer Stimme, die sich nach Berti anhört.

   Schlagartig ist Udo wach. „Das ist nicht Kater Beppos Mauzen. Das sind Berti und Lea. Sie rufen nach mir“.

   Diese Erkenntnis bringt Udo wieder auf die Beine. Er sammelt seine letzten Kräfte. So laut er noch kann, macht er auf sich aufmerksam. „Ich bin hiiieeer! Im Keller! Zusammen mit Kater Beppo!“, meldet er mit rauer Stimme.

   Und tatsächlich bekommt er von draußen Antwort. „Wir holen Hilfe!“, rufen Berti und Lea ihm zu.

   Keine Stunde später sind Udo und Kater Beppo aus dem Kellergefängnis befreit.

   „Wie habt ihr beiden uns gefunden?“, will der erschöpfte Udo von Lea und Berti wissen.

   Seine Schwester lächelt stolz. „Als du nicht nach Hause kamst, bin ich zum Fußballplatz gelaufen. Berti hat mir sofort seine Hilfe angeboten“, berichtet sie.

    „Ehrensache“, nickt Berti zustimmend.

   „Gemeinsam haben wir die Umgebung abgesucht. An den Büschen haben wir Stofffetzen gefunden von deiner Jacke entdeckt. Deshalb sind wir dem Trampelpfad gefolgt. Als wir deine Jacke am Bauzaun fanden, war alles klar. So kamen wir zur Ruine. Nachdem wir dich hörten, haben wir mit dem Handy Hilfe geholt“, berichten Lea und Berti abwechselnd.

   Da lächelt Udo erleichtert. „Ich hatte Glück, dass ihr so clever ward“, murmelt er.

   „Und du warst so mutig, Kater Beppo in der Ruine zu finden“, staunt Lea.

   „Das war sehr gefährlich“, schimpft Berti. „Vor allem so alleine.“

   „Es war idiotisch von mir!“, murmelt Udo. „Das weiß ich jetzt. Danke, dass ihr mich gesucht habt, obwohl ich so unfreundlich war.“

   „Kein Problem“, lächelt Lea. „Wir sind doch EINE Familie!“

   „Und EIN Team!“, ergänzt Berti.

   Udo nickt. „Das sehe ich inzwischen ein. Morgen entschuldige ich mich bei der Mannschaft für die Fouls“, verspricht er dem Kapitän Berti.

   Dann wendet er sich seiner Schwester zu.  „Ab sofort sage ich freiwillig Bescheid, wo ich hingehe“, verspricht er. „Und ein Handy nehme ich auch mit.“

   „Einverstanden!“, strahlt Lea und drückt beide an sich: ihren mutigen Bruder und ihren schnurrenden Kater Beppo.

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